Aufgrund der Corona-Pandemie mussten im Jahr 2020 und 2021 leider alle Konzerte des Bach-Chores ausfallen. Damit unser Publikum aber trotzdem etwas geboten bekommt, haben wir ein Online-Konzert mit einer Auswahl aus Konzerten der Jahre 2018 und 2019 zusammengestellt. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Zuhören!
Giovanni Gabrieli war Kapellmeister am Markusdom in Venedig und einer der bedeutendsten Musiker der Venezianischen Schule am Übergang von der Renaissance zum Barock. Der Markusdom pflegte eine lange musikalische Tradition auf höchstem Niveau, und dank seiner Tätigkeit dort avancierte Giovanni Gabrieli zu einem der bekanntesten Komponisten Europas. Zahlreiche Komponisten, u.a. Heinrich Schütz, kamen nach Venedig, um bei ihm zu studieren und trugen die Anregungen in die Länder Europas. Gabrieli nutzte die im Markusdom gegebenen Räumlichkeiten mit den gegenüberliegenden Emporen und mit den beiden dort installierten Orgeln, in dem er den Chor in zwei Abteilungen gliederte und mehrchörig musizierte, auch mit Instrumentalbegleitung.
In unserem Konzert haben wir die Tradition der Venezianischen Mehrchörigkeit aufgenommen und für die Doppelchörigkeit verschiedene Instrumentalensembles als Begleitung eingesetzt: der erste Chor wurde von Streichern, der zweite Chor vom Posaunenquartett begleitet.
Auch Claudio Monteverdi ist ein bedeutender Musiker an der Schwelle von der Renaissance zum Barock und auch er hat u.a. am Markusdom in Venedig gewirkt, kurz nach Gabrieli. Obwohl er ein universaler Musiker war, verbindet sich sein Name für uns vor allem mit zwei Gattungen: der Oper und dem Madrigal. Mit einigem Recht kann die Uraufführung von Monteverdis „Orfeo“ am 24. Februar 1607 am Hof von Mantua als echte Geburtsstunde der Oper angesehen werden. Er komponierte auch zahlreiche sakrale Werke, als bekanntestes die »Marienvesper«.
Es folgt eine Auswahl aus zwei Konzerten des letzten Jahres:
Am 12. Mai 2019 hat der Bach-Chor zusammen mit dem Barockorchester L’arpa festante aus München das Oratorium »Israel in Ägypten« von Händel aufgeführt. Dieses Oratorium hat eine Sonderstellung zwischen den Oratorien Händels. Erstens ist es fast durchgängig doppelchörig komponiert, zweitens wird die Handlung fast durchweg vom Chor getragen mit nur wenigen Arien und drittens wurde es nicht als gesamtes Oratorium komponiert, sondern zunächst nur der letzte Teil, kurz darauf der zweite. Den ersten Teil übernahm Händel aus einem früheren Werk, das er nur wenig umarbeiten musste, ließ ihn dann aber beim Druck der Partitur wieder weg. Zumeist wird das Werk auch heute noch als zweiteiliges Oratorium aufgeführt, so auch in unserer Aufführung.
Der Text besteht ausschließlich aus Bibelzitaten. Er behandelt im ersten Teil den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten und im zweiten Teil den Lobgesang Moses und des Volkes für die Rettung.
Die Musik ist sehr dramatisch und abwechslungsreich, etwa in der Darstellung der Plagen, die über Ägypten hereinbrachen.
Die ersten drei Chöre unserer Auswahl behandeln drei der Plagen: die Mückenplage (das Summen der Mücken ist in den Streichern gut hörbar), Hagel statt Regen und das Töten der Erstgeburt: »Er schlug alle Erstgeburt Ägyptens« (das »Schlagen« wird im Orchester, später auch im Chor durch kurze, scharfe Akkorde hörbar gemacht). Der vierte Chorsatz ist der Anfang des zweiten Teils, in dem Moses und das Volk Israel Gott loben für die Errettung aus der Hand der Ägypter am Roten Meer. Die Koloraturen im zweiten Teil des Chorsatzes sind wahre Freudengesänge.
Eine ausführliche Einführung zu diesem Oratorium können Sie hier auf der Homepage unter »Rückblick Konzerte« finden.
Auch dieses Oratorium besteht ausschließlich aus Bibelzitaten. Das Werk ist, bedingt durch den Text, sehr dramatisch, hat aber auch vielfach sehr lyrische Stellen. Besonders dramatisch ist die Szene auf dem Berg Karmel, in der es darum geht, herauszufinden, wer der wahre Gott ist. Außerdem geht es buchstäblich um Leben und Tod. Weiterhin wird es dramatisch, als die Königin Isebel Elias mit dem Tod bedroht. Daneben gibt es aber auch Passagen, die das Geschehene reflektieren und einen hoffnungsvollen Ausblick geben.
In unserer Auswahl kommen sowohl dramatische als auch lyrische Chorsätze vor. Der Chor »Aber der Herr sieht es nicht« ist eine Anklage an Gott, der eine Dürre geschickt hat, unter der das Volk dreieinhalb Jahre leidet. Dagegen suggeriert der Chorsatz "Wohl dem, der den Herrn fürchtet" ruhige Gelassenheit. Im zweiten Teil des Chorsatzes erscheint das Thema »Den Frommen geht das Licht auf in der Finsternis«, das durch einen gebrochenen Dreiklang bis zur Dezime hinauf das Aufgehen des Lichtes darstellt.
Der Chorsatz »Baal, erhöre uns« ist der Beginn der Szene auf dem Berg Karmel, wo die Baalspriester noch siegessicher ihren Gott anrufen, wobei die Stimmung im Verlauf immer weiter angeheizt wird.
Dramatisch wird es im nächsten Chorsatz, wo die Königin Isebel dem Propheten Elias den Tod androht, weil dieser ihre Baalspriester umgebracht hat und schon vorher die große Dürre angekündigt hat. Im Kontrast dazu steht der nächste Chor, der wieder das Gottvertrauen symbolisieren soll und der geprägt ist durch gesangliche Melodien, begleitet durch fließende Achteltriolen, die sich wie ein weicher Klangteppich darunter legen.
Ein weiterer Höhepunkt ist der Chorsatz: »Der Herr ging vorüber«, in dem Elias erfährt, dass Gott nicht im Sturmwind, nicht im Erdbeben und nicht im Feuer, sondern im stillen sanften Sausen kommt. Das Teilen der Chorstimmen in Frauen- und Männerstimmen, die im Kanon geführt werden, im weiteren Verlauf als dichterer Kanon aller vier Stimmen, steigert die Spannung. Das Orchester erzeugt Spannung durch schnelle Tremoli in den Bässen und durch aufwärts geführte Akkorde, abwechselnd dissonant und aufgelöst. Im letzten Teil des Chorsatzes, der vom stillen, sanften Sausen handelt, ändert sich die Stimmung: melodische Stimmführung, die Tonart wechselt von Moll nach Dur, die Geigen begleiten durch eine fließende Achtelbewegung, die das Säuseln darstellen soll.
Der Chor 38 ist ein Resümee von Elias’ Wirken und die Darstellung seiner Himmelfahrt im feurigen Wagen. »Er fuhr im Wetter gen Himmel« wird durch eine aufwärts gehende Tonleiter dargestellt, die Orchesterbegleitung besteht aus erregten Sechzehnteltriolen.
Der Schlusschor ist ein Jubelchor, der nach einer kurzen Einleitung in eine groß angelegten Fuge mündet: »Herr, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen«.
2018 hat der Bach-Chor ein Konzert zusammen mit dem Instrumentalverein Darmstadt veranstaltet. Eines der aufgeführten Werke war der Psalm 42 von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Dieses Werk wurde vom selbstkritischen Mendelssohn als eines seiner besten eingeschätzt. Robert Schumann urteilte, das Werk sei »die höchste Stufe, die er [Mendelssohn] als Kirchenkomponist, ja die neuere Kirchenmusik überhaupt, erreicht hat«.
Aus diesem Werk haben wir einen Satz ausgewählt: ein Quintett mit Solo-Sopran (Ursula Ott) und vierstimmigem Männerchor.
Dieser Kantatensatz nimmt eine Sonderstellung unter den Werken Bachs ein. Er ist doppelchörig komponiert. Das ist ungewöhnlich, da keine weitere doppelchörige Kantate Bachs erhalten ist. Unter den Werken mit Orchester sind nur die Matthäus-Passion und das Osanna der h-Moll-Messe doppelchörig (die doppelchörigen Motetten haben keine eigenständige Orchesterbegleitung, es können lediglich Orchesterinstrumente die Chorstimmen mitspielen). Der doppelchörige Satz bildete vermutlich den Schlusssatz einer großen Kantate zum Michaelisfest, von der nur noch dieser Satz erhalten geblieben ist.
Der Text »Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich und die Macht unsers Gottes seines Christus worden, weil der verworfen ist, der sie verklagete Tag und Nacht vor Gott« ist in der lutherischen Liturgie einzig dem Michaelistag, dem Fest des Erzengels Michael und aller Engel, zugeordnet. Eine »Stimme im Himmel« proklamiert damit das Ende des Kampfes zwischen Michael und dem Drachen und den Sieg des erhöhten Christus über die Mächte der Finsternis.
Das Kompositionsprinzip ist das einer Permutationsfuge, bei der innerhalb einer Fuge einzelne Motive auftreten, die beliebig vertauscht und versetzt werden können. Das Hauptmotiv wird zu Beginn im Bass des ersten Chores vorgestellt, es umfasst sieben Takte. Sieben ist hier als Zahl der Vollkommenheit zu denken. Bei den Worten »Heil«, »Kraft«, »Reich« und »Macht« springt die Melodie jeweils auf die Terz, Quarte, Quinte und Oktave des Anfangstones. So entsteht ein stabiles Gebäude der konsonanten Intervalle. Zum Textabschnitt weil der verworfen ist wird dem ersten Thema ein gegenläufiges in figurierten Achtelbewegungen gegenübergestellt. Es folgen die übrigen Stimmen von Chor I, dann Chor II homophon mit der Umkehrung des Themas, bis nach Instrumenteneinsatz die musikalische Gestalt sich schließlich bis zu einer achtstimmigen Chorfuge mit teilweise obligaten Stimmen der Instrumente steigert.
Es wäre schön, wenn Ihnen unser Online-Konzert Freude bereitet hat. Es ist natürlich nicht dasselbe wie ein Live-Konzert, aber wenigstens ein kleiner Ersatz. Wenn es Ihnen gefallen hat, empfehlen Sie uns bitte weiter. Und wenn Sie mögen, freuen wir uns über eine Spende, als »Preis« für ein Online-Ticket.
Wir wünschen Ihnen: Kommen Sie gut durch diese krisenhafte Zeit, bleiben Sie gesund und uns gewogen.
Ihr Bach-Chor Darmstadt
Angela Gehann-Dernbach (künstlerische Leiterin)