Bericht eines Gründungsmitglieds
des Bach-Chores Darmstadt
Ein Aufruf im Darmstädter Echo von Horst Gehann brachte mich dazu, mich für den entstehenden Bach-Chor zu interessieren. Horst Gehann probte damals mit seinen Sängerinnen und Sängern in der Petruskirche in Bessungen und zwar sonntags am Nachmittag und auch nur 14-tägig. Da wir im Kirchenschiff probten, hatte Horst kein Instrument zur Verfügung, doch mit seinem geübten absoluten Gehör konnte er jede Stimme sofort korrigieren und vorsingen. Mit Begleitinstrument wäre es einfacher gewesen, doch Horst scheute keine Mühe, denn er hatte Großes vor: Er wollte nach Möglichkeit das komplette Bachwerk mit seinem Chor und Instrumenten zu Gehör bringen.
Nach einigen Proben warb er bei seinem Chor darum, einen Verein gründen zu wollen und erläuterte die Vorteile, die notwendig waren, um sein großes Vorhaben durchführen zu können. Die Vereinsgründung war im Jahr 1980. Horst war nicht nur Dirigent, Komponist und Interpret verschiedener Musikinstrumente, er führte Regie und dies mit größtem Einsatz, Erfolg und Herzblut.
Eines unserer ersten Auswärtskonzerte führte uns in die schöne Barockkirche in Amorbach im Odenwald. Zu diesem Zeitpunkt gab es dann auch schon die Instrumentalgruppe Pro Musica, die uns begleitete. Die Sonntagsproben reichten nicht mehr aus, der Chor traf sich nun wöchentlich montags am Abend. Wir führten die wichtigsten Chorwerke von J.S.Bach auf wie Johannes-und Matthäuspassion, h-Moll-Messe, Weihnachts- und Osteroratorium, Magnificat, seine Motetten, die Kurzmessen und vor allem die meisten seiner vielen Kantaten, in der Regel drei davon bei einem Konzert. Der Chor war größer geworden, ca. 60 – 80 aktive Sängerinnen und Sänger und nur mit dieser Anzahl an Aktiven konnten wir die Großwerke bestreiten.
Es war nicht einfach, hier in Darmstadt, bei den vielen Musik- und Chorschaffenden einen festen Zuhörerstamm zu gewinnen. Bei den großen Werken waren die verschiedenen Kirchen meistens übervoll, wenn wir Kantaten musizierten, gab es oft nur eine spezielle Zuhörerschaft, was uns zuweilen in finanzielle Nöte brachte, denn Solisten und Musiker wollten bezahlt werden.
Mit Horst Gehann erlebten wir ganz besondere Highlights, denn er war nicht nur musikalisches Genie, sondern hatte auch ein wunderbares Organisationstalent, das uns immer wieder Auslandskonzerte ermöglichte. So gab es z.B. im Jahr 1985 (300. Geburtstag von J.S. Bach) gleich drei Tourneen: die 1. im Frühjahr nach Spanien; die 2. nach Rom, wo wir ein ganzes Festival mit 4 Konzerten bestritten, wobei allerdings eines davon ein reines Instrumentalkonzert gewesen ist. Die Karten wurden enBlock verkauft und die Kuppelkirche St. Aurelia auf der Piazza Navona war brechend voll. Die 3. Tournee ging in unsere Schwesternstadt Troyes in Frankreich. Dort haben wir in einem Kloster übernachtet und im Theater die h-Moll-Messe gesungen.
Mit dem Orchester unserer Partnerstadt Szeged in Ungarn haben wir häufig zusammen konzertiert und dabei sowohl in Szeged als auch in Darmstadt und auch einmal in Oppenheim Konzerte aufgeführt, genauso mehrmals mit dem rumänischen Orchester von Temeschvar.
Ein weiteres interessantes Highlight war die Reise nach Kairo, zu der wir anläßlich der Gründung der 1. Deutschen Universität in Kairo eingeladen wurden. Die Aufführung der h-Moll-Messe war Teil des Programms der Deutschen Kulturwochen im Oktober 2003 und wurde von einem ägyptischen Orchester und ägyptischen Solisten mitgestaltet. Es fand ein komplettes deutsches Festival statt, bei dem wir nicht nur die Messe aufführten, sondern weitere Gesangsbeiträge in der Öffentlichkeit von Kairo zu Gehör brachten. Mit Mitteln des Auswärtigen Amtes wurde das Festival gesponsert, die Deutsche Botschaft und das Goethe-Institut waren mit der Organisation betraut und Frau Mubarak war damals Schirmherrin. Von Kairo wurden wir gleich weitergeleitet nach El Alamein zu dem großen Denkmal des 2. Weltkrieges, in einer Oase nahe des Mittelmeeres, wo wir unter anderem „Dona nobis pacem” sangen.
Zu allen Aufführungen mit in- und ausländischen großen Orchestern fuhr Horst ein paar Tage vorher dorthin und probte vor Ort mit den Musikern, auch um keine unliebsamen Überrraschungen erleben zu müssen. Die Musiker von Pro Musica sind nur ein kleines Orchester, das für große Konzerte nicht ausreicht.
Mit Horst Gehann haben wir vor allem Bach gesungen. Doch fast jedes Jahr zusätzlich ein Nicht Bach’sches Werk, wie z.B. Das Brahms Requiem, den Paulus von Mendelssohn, das Mozart Requiem, Bruckner, Händel, Haydn, Rheinberger , die Neunte von Beethoven und viele andere Werke mehr in den fast 40 Jahren seit Bestehen des Bach-Chores.